Stuhl, Tisch, Koffer, Mann – mehr war nicht nötig, um unserer Oberstufe ein weltberühmtes Drama vorzuspielen: Faust. Was manchem als verstaubt und trocken gilt, bot Schauspieler Steffen Schlösser am 10.März dar. In knappen zwei Stunden belebte er das nun fast zweihundert Jahre alte Stück unter dem Titel „Faust für alle“; und das Publikum lockte er auch aus der Reserve.
Für alle, die das Stück (immer) (noch) nicht (mehr) kennen: Der greise Universalgelehrte Dr. Faust müsste eigentlich stolz sein: Er hat nun, ach, alles studiert und erforscht, keiner ist besser als er. Dennoch merkt er, dass er nur ein ganz kleines Licht ist und nie erkennen wird, was die Welt zusammenhält. Sinn sieht er im Leben nicht mehr. Der teuflische Mephisto schließt in dieser Situation einen Pakt mit ihm: Im Leben wolle er dem Doktor dienen und echten Genuss zeigen, im Jenseits solle dieser aber dem Mephisto als Knecht dienen. Faust, der sich nicht vorstellen kann, jemals einen Moment zu erleben, der nie vergehen soll (in diesem Fall wäre der Pakt erfüllt), schlägt ein. Es folgt eine Reise, die keine Grenzen kennt – nicht irdisch und nicht sittlich.
Steffen Schlösser schlüpfte hierbei in zentrale Rollen: Nahezu ohne Requisiten mimte er erhaben „den Herrn“, spielte gebeugt den niederträchtigen Mephisto oder gab mit stolzgeschwellter Brust den durch Zauber verjüngten Heinrich Faust, der doch wenige Szenen zuvor noch so schwach und alt umherschlurfte. Im Zwiegespräch musste der Schauspieler schonmal sprunghaft die Position wechseln, um blitzschnell eine andere Rolle darzustellen. Wo eine zweite Figur geeignet erschien, wählte er frei Schüler aus dem Zuhörerraum. Sehr amüsant war es zu sehen, wie irgendwie doch alle (nicht immer ganz freiwilligen) Unterstützer sehr in ihre Rollen passten.
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In solchen Momenten trat Steffen Schlösser aus seiner Rolle heraus, gab Anweisungen oder Hintergrundinformationen. Es gelang ihm, das zunächst sehr zurückhaltende Publikum zu fassen. Es ging nicht nur ums Zusehen, sondern auch ums Mitmachen: Die Zuschauer imitierten unheimliche Winde während der Walpurgisnacht, bibberten, wenn Faust den schwindenden Winter betrachtete, oder kommentierten Fausts Flüche auf das Leben jeweils mit dem markigen Sch-Wort. Neben diesen saloppen Passagen gelang es Steffen Schlösser stets, in die Rolle zurückzutreten und in Inhalt, Sprechweise, Mimik und Körpersprache hochprofessionell zu spielen. Gespielt ist eben besser als gelesen, das ist ganz klar. Das Stück insgesamt sollte nun wirklich jedem verständlicher und lebendiger geworden sein – „für alle“ war es ja auch gedacht.
Der Schauspieler selbst mag den Fauststoff gerne, weil er heute noch aktuell ist. Er sehe, dass Menschen immer mehr wollten, und selbst wenn sie alles hätten, seien sie noch immer unzufrieden. Sein Ziel ist es, dass die Menschen nicht mehr das Reclam-Gelb sehen, wenn sie „Faust“ hören. Und tatsächlich, man hatte das Gefühl, dass viele Schülerinnen und Schüler während des Stücks vergaßen, dass sie sich innerlich teils gegen die „Faust“-Lektüre gewehrt hatten. (jpw)