„Der 8. März 1988 war der schönste Tag meines Lebens“, sagte Mario Röllig den Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen des Eckenberg-Gymnasiums. Auch 34 Jahre danach ist ihm die Erleichterung anzumerken, die dieser Tag gebracht hatte: Seine Ausreise aus der DDR nach wochenlangen Verhören und Schikanen im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen.
Mario Röllig schilderte vor den Herbstferien seine Schulzeit und Jugend in der DDR persönlich und authentisch. Wehrkundeunterricht und Handgranatenweitwurf waren ihm zuwider, doch hatte er früh gelernt, dass kritische Haltungen nur Ärger bedeuteten. Er fand seine „private Nische“ durch eine Ausbildung in der Gastronomie auf dem Ost-Berliner Flughafen Schönefeld. Das von internationalen Reisenden gezahlte Trinkgeld in Westmark vergoldete er auf dem Schwarzmarkt; er verdiente mehr als Ärzte. „Der Kunde war König, und ich der Kaiser von Schönefeld! Jeden Tag mit Taxi zur Arbeit, und in der Disco habe ich nicht nur eine Runde gezahlt!“ Seine wichtigste Regel war nach wie vor, niemals an der Arbeit über Politik zu sprechen.
Anwerbungsversuch als Spitzel
„Doch man kann in einer Diktatur nicht selbst entscheiden, wann man ins Blickfeld der Geheimpolizei gerät“, stellte der Berliner bitter fest. Der Staatssicherheit wusste von seinem Partner aus West-Berlin, der ihn regelmäßig besuchte. Es war aber nicht die Homosexualität, mit der man ihn unter Druck setzte. Vielmehr wollte man ihn mittels Verlockungen wie einem Auto als Spitzel anwerben. Denn sein Freund war als Wirtschaftspolitiker eine interessante Quelle. Nachdem er empört abgelehnt hatte, fand das majestätische Leben des Gastro-Kaisers ein jähes Ende. Fortan hieß es Geschirrspülen und 200 statt 2000 Mark.
Haft war Folter
Jetzt wollte er nur noch eins: Freiheit. Fort vom Zwang, hin zu freien Entscheidungen. Einen Fluchtversuch im Sommer 1987 über Ungarn überlebte Mario Röllig fast nicht. Als er schilderte, wie die Kugeln ungarischer Kopfgeldjäger ihn nur knapp verfehlten, konnte man in der Aula eine Stecknadel fallen hören. Von nun war sein Vortrag nicht mehr nur unterhaltsam und informativ. Die Stasi-Haft-Erzählungen ging ins Mark: dauernd gerade zu sitzen; nur auf dem Rücke schlafen; Entwürdigung durch Beobachtung auch während der Körperhygiene; Schlafentzug durch Lärm und grelles Licht; voll aufgedrehte Heizung in einer kleinen Zelle; keine Menschenseele sehen. Die Methoden der DDR-Diktatur waren perfide. „Aber das Warten auf das Nichts war die schlimmste Folter!“ Sport, lesen, schreiben – alles verboten.
Durch Glück fand die Haft früher als bei vielen anderen ein Ende. Die BRD kaufte ihn frei. Die Arbeit für die Gedenkstätte Hohenschönhausen dient seiner persönlichen Aufarbeitung der Hafterfahrungen und der Aufklärung über die Verbrechen der DDR. Der Vortrag und die anschließenden Fragen der Schüler machten den bereits zweiten Besuch Mario Rölligs zu einer eindringlichen Lehrstunde politischer und historischer Bildung. (jpw)